Grenzgeschichten

Donezker Pranger von Stefaniya Broshkova, Kateryna Shvets und Tetiana Mostipan

Dies ist die Geschichte einer ukrainischen Frau. Irina wurde von der Gesellschaft in Donezk ausgegrenzt. Sie ist politisch anders eingestellt. Das Zusammenleben in einer Gesellschaft ist von Grenzen geprägt, dem perfekten und dem nicht perfekten Menschen. Es gibt die Angepassten und die Unangepassten. Der politisch unangepasste Mensch gilt als nicht perfekt in manchen Regionen dieser Welt.

„Agentin eines Strafkommandos“, mit dieser Botschaft hat Irina Dowgan im umkämpften Donezk am 25. September ein Schild hoch gehalten. Ein Bild, das um die Welt ging. Sie hat dies tun müssen. Die Aktivisten der „Volksrepublik Donezk“ haben Irina an den Pranger gestellt. Die in eine ukrainischen Fahne eingewickelte Frau hat keinen Widerstand geleistet. Die Leute haben die Autos verlassen, um auf sie zu spucken. Einer hat ihr eine Ohrfeige gegeben, ein anderer hat Tomaten auf sie geworfen. Irina musste diese Demütigung durch ihre Mitbürger erdulden. Diese sagten, Irina hätte Kinder getötet.

Die Leute haben die Autos verlassen, um auf sie zu spucken. Einer hat ihr eine Ohrfeige gegeben, ein anderer hat Tomaten auf sie geworfen.

Irina Dowgan ist 52 Jahre alt. Sie ist Kosmetikerin von Beruf, sie hat zwei Kinder, und sie ist verheiratet. Sie nennt sich eine typisch ukrainische Frau. Sie interessiert sich nicht für Politik. Sie hat ihre proukrainische Position nur im Kreis ihrer Freunde und Bekannten zum Ausdruck gebracht. Keine Kundgebung, keine öffentlichen Aufrufe keine Provokation. Mit der Verschärfung der Situation im ostukrainischen Donbass, dem Kohlerevier, hat sich aber der Kreis ihrer Freunde eingeengt. Der Grund sind die verschiedenen politischen Ansichten.

Irina Dowgan half eineinhalb Monate vor dem Donezker Pranger der ukrainischen Armee in der Zone der antiterroristischen Operation, ATO genannt. Nachdem sie sich mit den Soldaten unterhalten hatte, beschloss sie nicht beiseite zu stehen. Sie hat den Männern, den Kämpfern, schlecht Ausgerüsteten, Essen und Medikamente gebracht, Dinge, die sie dringend benötigt haben. Davon haben nur Irinas Vertraute gewusst. Sie haben Geld besorgt und Sachen organisiert.

Donezker-Pranger-©Wikipedia-Creative-Commons-2014-1.jpg
© Wikipedia Creative Commons 2014

Irina wurde von zu Hause, aus Jasynuwata, das bei Donezk liegt, entführt. Die Soldaten der Donezker Volksrepublik, so nennen sich die ukrainischen Separatisten, haben Irina Dowgan bei der Arbeit im Garten angetroffen. Irina D. hat den Schindanger überlebt. Am schrecklichsten sind nicht die Leute, bekundete Dowgan, die geschlagen, die gespuckt, die geflucht und verspottet haben, sondern die Leute, die schweigend vorbeigegangen sind. Schweigen tötet.

Weiterlesen: