Rumänien

Kampf der Obamas von Ioana Ciocan und Ana Lechinţan

In Rumänien hat eine Politikschlacht begonnen. Ein Wahlgemetzel, das verspricht besonders blutig zu werden. Am 2. November wir der neue Präsident gekürt. Unerwartete Themen kommen auf den Tisch. Es sind vor allem solche zur Mentalität der Rumänen, zu seinen Grenzen, zu den Schranken seiner Entwicklung. Es sind mittelalterliche Grenzen einer Nation und ihrer Religion.

Himmel und Hölle werden in Bewegung gesetzt. Im Wahlring stehen der Physikprofessor und Nationalliberale Klaus Johannis gegen den Staatsanwalt und Sozialdemokraten Viktor Ponta. Zwei Obamas mit der Attitüde des Außenseiters stehlen sich die Show. Es ist Kampf von Minderheit gegen Mehrheit.

Rechts ist da der deutsche Protestant Klaus Johannis, ewiger Bürgermeister seit vier Legislaturperioden des deutsch geprägten Hermannstadt, Vorsitzender der Nationalliberalen. Im Ring tritt er an als „der andersartige Politiker“ aus Siebenbürgen, wie er sich selbst bezeichnet.

Links ist da der rumänische Orthodoxe Victor Ponta, Vorsitzender der Sozialdemokraten, eine polarisierende Figur, vor allem für die EU-Kommission in Brüssel. Im Ring tritt er an als der „stolze rumänische Politiker“.

Es ist ihm nicht vozuwerfen, dass er deutschstämmig ist, aber mir soll nicht vorgeworfen werden, dass ich Rumäne bin.

Der Sozialdemokrat hat einen im toleranten Rumänien seltenen politischen Kreuzzug eröffnet, einen, der das sonst so friedliche Miteinander der Ethnien spalten soll. Über seinen Mitbewerber aus dem siebenbürgischen Hermannstadt sagt er: „Es ist ihm nicht vozuwerfen, dass er deutschstämmig ist, aber mir soll nicht vorgeworfen werden, dass ich Rumäne bin.“ Um alsdann auch gleich bei der Religion nachzulegen: „Es ist nicht schlimm, dass er neoprotestantisch ist, aber aufpassen, mir soll niemand vorwerfen, dass ich orthodox bin! So wurde ich geboren, und ich bin stolz darauf.“

Wieso der rumänische Premierminister in einem Land, überwiegend bewohnt von Orthodoxen, es für nötig hält sich vorsorglich zu verteidigen, dass er ein orthodoxer Rumäne ist, weiß der Himmel. Allerdings hat jeder Heilige eine Vergangenheit, und es scheint, dass die Vergangenheit von Victor Ponta nicht so rumänisch ist, wie er sie gerne hätte. Der Versuch von Victor Ponta katholischer als der Papst zu wirken, kann nur so gedeutet werden, dass da etwas seinen Rumänenschein trübt. Er selbst hebt hervor, seitens seines Vaters italienischer, seitens seiner Mutter albanischer Abstammung zu sein.

Im März 2014, während seines Besuchs in Albanien, äußert der Premier seinen Wunsch wiederzukommen, da die Vorfahren seiner Mutter aus dem albanischen Moscopole ausgewandert seien. Im Juli desselben Jahres erzählt er über die Familie seines Vaters, die vor hundert Jahren aus Italien nach Rumänien gezogen ist. Und so scheint es, dass Victor Ponta rumänisches Wasser predigt und italienischen Wein trinkt.

Es kann gut sein, dass der 'angeklagte Deutsche' rumänischer ist als der 'stolze Rumäne'.

Es kann gut sein, dass der „angeklagte Deutsche“ rumänischer ist als der „stolze Rumäne“. Die ersten Sachsen siedelten sich in Siebenbürgen vor 850 Jahren an. Klaus Johannis selbst bekräftigt, dass seine Familie schon vor einem halben Jahrtausend in der Nähe von Sibiu urkundlich erwähnt wurde.

Anstatt sich gegenseitig die Villen, Luxusautos und Mätressen wie bisher vorzuhalten, scheinen Rumäniens Politiker in diesem Wahlgang sich mit Volks- und Religionszugehörigkeiten in den Rücken zu stechen. Parteiprogramme und Wahlinitiativen firmieren dagegen unter „ferner liefen“.

Klaus Johannis scheint nicht besorgt, was seine Religion im Wahlkampf anbelangt. Er sieht die Rumänen als besonders offen und tolerant. So mögen sie auch sein im Zentrum des Landes, wo auch Sibiu, zu deutsch Hermannstadt, liegt. Wie in Entwicklungsländern aber, sehen die Rumänen ihre Minderheiten etwas kritisch. Die einzige Minderheit, die bewudnert wird, sind die Deutschstämmige, in Rumänien Sachsen genannt.
„Über die Toten und die Sachsen weiß man nur Gutes!“, heißt es. Sie gelten im Volksmund als fleißig, aufrichtig, gerecht, pünktlich, ein bisschen eigensinnig und gefühlskalt.

Oft sehen sich die Rumänen selbst mit ironischem Blick. Sie finden sich bequem, bauernschlau und nachlässig. „Rumänische Qualität“ sagt man sarkastisch und „Wie bei den Rumänen“ noch sarkastischer.

So kann die deutsche Abstammung von Klaus Johannis auch ein Pluspunkt sein. Laut einer Umfrage stören sich nur fünf Prozent an den deutschen Wurzeln von Johannis. Die Rumänen beunruhigt eher, dass er „geheimnisvoll und unzugänglich“ sowie „opportunistisch“ wirkt.

Immer weniger stellt sich im rumänischen Wahlkampt die Frage „Welchen Kandidaten liebt das Volk?“, sondern eher „Welchen kann das Volk nicht leiden?“. Man wählt nicht überzeugt für den einen, sondern neckisch gegen den anderen.

Verkehrte Welt. Verquere Gemengelage. Im November wird Rumänien ein Präsident vom Himmel fallen. Das ist sicher. Offen aber bleibt, ob es der protestantische oder der orthodoxe Himmel sein wird.

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